Lange hat es gedauert...
Nach etlichen Verschiebungen hat nun Techland mit dem zweiten Teil von Dying Light ihre Parkour-Zombie-Schnetzel-Orgie endlich released. Es stellt sich die Frage: Wie gut ist der zweite Teil und fühlt es sich immer noch so frisch an wie der erste Ableger? Ist der zweite Teil also ein agiles Meisterwerk oder ein Anfänger, der bei einem Hindernislauf auf den harten Boden der Tatsachen aufschlägt?
Das ist doch Klasse
Nach all den oben bereits erwähnten Verschiebungen ist die allgemeine Erwartungshaltung an Dying Light 2 natürlich sehr hoch. Fast so hoch wie die Ambitionen und Versprechen der Entwickler. Und was soll ich sagen: Ich bin gekommen für die Open World und bin geblieben für die Story rund um Aiden Cadwell und seine Entscheidungen in Old Villedor und dem Central Loop. Denn Aiden ist ein Pilger, ein Reisender zwischen den letzten Bastionen der Menschen. Ein Meister des Schleichens und ein Ausnahme-Athlet. Auf der Suche nach seiner Schwester ist er mehrere tausend Meilen durch Europa gelaufen, gesprungen und geschlichen. Aber wie das so in einer Zombieapokalypse ist, sind neue Gesichter in bereits bestehenden Gemeinschaften nicht immer gerne gesehen. Das bedeutet aber nicht, dass die Talente von Außenstehenden nicht willkommen sind in einer festgefahrenen Stadt - gerade, wenn diese in zerstrittene Fraktionen aufgeteilt ist. Zum Beispiel die Peacekeeper, eine Gruppierung mit militärischen Zügen, die Überlebenden, welche sich hauptsächlich im Basar und in den Wohnungen rund um die Kirche aufhalten, und die Abtrünnigen, wobei diese Gruppe im Endeffekt die Bösewichte sind und keine Gruppierung ist, mit der wir handeln können oder für die wir Aufträge erledigen. Als Dying Light 2 das erste mal angekündigt wurde, haben die Entwickler bereits über die Schwere der Entscheidungen gesprochen. Jeder Weg, den wir gehen, soll Konsequenzen haben. Ich habe alles daran gelegt, mir die Beziehung zu den Peacekeepern komplett zu versauen und musste leider feststellen, dass meine Entscheidungen am Ende eben keine so großen Konsequenzen hatten, wie ich ursprünglich annahm. Durch unsere Entscheidungen, wie zum Beispiel den Überlebenden einen Wasserturm (lebensnotwendige Ressource) zu geben, welchen wir vorher erobern mussten, können wir die Fraktion stärken und neue Vorteile freischalten. Diese variieren zwischen den beiden Fraktionen und je mehr dieser verteilbaren Wegmarken wir einer Fraktion zugute kommen lassen, desto besser werden die Vorteile.
Die Peacekeeper arbeiten gerne mit Fallen. Dazu gehören Elektrogitter, auf denen wir Zombies und Abtrünnige grillen können, und in einer späteren Stufe kommen Autobomben hinzu, welche ja aus dem ersten Teil bekannt sein dürften. Die Überlebenden hingegen setzen ihren Fokus auf Mobilität! So bekommen wir neue Ziplines oder sogar eine Reanimation durch nahe Überlebende als Belohnung. Im Grunde habe ich erwartet, dass die Peacekeeper verdammt sauer auf mich sind, wenn ich alles an die Überlebenden abtrete und dass ich absofort als Feind Nr.1 angesehen werde. Aber nein, das ist nicht der Fall. Denn im Laufe der Geschichte arbeiten wir trotzdem immer mal wieder mit den Peacekeepern zusammen und das Spiel selber schiebt uns immer mal wieder in die richtige Richtung. Das oberste Ziel ist dabei klar definiert: Mia finden und retten. Auch wenn sich die Story erstmal nicht originell anhört, so hat sie mich doch gefesselt. Erstens wegen Aiden selber, da er als Hauptprotagonist eine ernsthafte und nachvollziehbare Motivation hat. Dann wären da die Entscheidungen in der Geschichte selbst, welche ein paar extrem gute Storytwist garantieren. Zum Dritten: Ein paar wirklich klasse geschriebene Nebencharaktere. Diese haben, genau wie Aiden, sehr gute Motive, so zu handeln, wie sie es tun, und bringen der Geschichte nochmals ein bisschen mehr Tiefgang. Hinzu kommt, dass uns die vielen NPCs, die wir treffen, natürlich auch brauchen. DENN WIR SIND PARKOUR!!!
Probiers mal mit Beweglichkeit
Wer mehrere tausend Meilen durch ein von Zombies verseuchtes Europa zurücklegt, braucht genau drei Dinge: Kraft, Ausdauer und ein Moveset, das einen in kritischen Situationen nicht als gebrochenen Zahnstocher für Zombie-Mäuler zurücklässt. Naja, und eine gehörige Portion Wagemut oder wahlweise Wahnsinn. Diese Kombination an Fähigkeiten hat sich Aidan in den Jahren angeeignet und er weiß sie auch sehr gut einzusetzen. Kommen wir deshalb als erstes zum Skillsystem. Aiden hat zwei Skillbäume. Diese teilen sich auf in Kampf und Parkour. Die Erfahrungspunkte für die beiden Skilltrees erhaltet ihr getrennt voneinander, indem ihr Aktionen aus dem jeweiligen Bereich ausführt. Als dritte Komponente kommt der Hemmstoff ins Spiel. Mit drei Hemmstoffen kann man dann die maximale Ausdauer oder Gesundheit erhöhen. Das ist in dem Fall sogar sehr wichtig, da bestimmte Moves ein Minimum an Ausdauer oder Gesundheit brauchen. Als Beispiel: Der Dropkick braucht mindestens 180 Gesundheit. Auf der Parkour-Seite, die eben Ausdauer verlangt, wäre der Wandsprung, welcher euch nach einem Wallrun noch höher kommen lässt. Dieser braucht mindestens 240 Ausdauer. Und gerade die Ausdauer ist in Dying Light ein entscheidender Faktor. Denn jeder Sprung, jede Kletteraktion und auch jeder Schlag oder Block verbraucht Ausdauer. Das kann gerade am Anfang zu ganz ungemütlichen Situationen führen. Spätestens wenn man ohne Ausdauer in einer Meute Zombies steht und weder ausweichen noch zuschlagen kann, verdammt man Aidens schlechte Lunge. Aber hier ist einfach auch das Prinzip Learning by Doing gesetzt, denn wenn man den richtigen Flow erstmal raus hat und auch ein bisschen mehr Moves und Ausdauer dabei sind, fliegt man nur so über die Dächer und Straßen von Villedor. Und das ist auch wirklich eine der großen Stärken von Dying Light 2! Die Mobilität und Vertikalität, die hier an den Tag gelegt werden, ist auf einem Level von dem sich viele Spiele eine Scheibe abschneiden können. Das Erklimmen von riesigen TV-Sendern oder alten, verlassenen Krankenhäusern macht einfach immer wieder einen rießen Spaß und ist technisch dann auch nicht zu einfach gehalten.
Zwiegespalten bin ich dann aber leider bei dem Kampfsystem. Dieses ist gefühlt Standardkost. Blocken, ausweichen, zuschlagen. Diese Formel kennt man bereits aus Spielen wie Dark Souls, wo sie allerdings mit knallharten Fights verbunden sind. In Dying Light 2 haben wir es aber nunmal nicht mit riesigen Monstern zu tun, sondern größtenteils mit langsamen und schluffigen Zombies oder mit mindestens genauso dämlichen menschlichen Gegnern. Auch wenn sich der Treffer-Feedback gut anfühlt und die verschiedenen Waffen sehr gute Kampfmoves haben, so leidet vieles doch an der KI. Diese ist nämlich größtenteils einfach nur dumm. Wenn hirntote Zombies in Horden langsam auf mich zukommen: Okay, die sind halt einfach hirntot. Wenn vermeintlich menschliche Gegenspieler aber das gleiche machen, dann sind sie einfach nur dumm. Aber zum Glück gibt es nicht nur die normalen Gegner. Bei den Zombies gibt es, wie in Spielen a la Left 4 Dead, noch Unterarten. Einige sind extrem schnell, andere gleichen den Screamern, welche neue stärkere Zombies rufen und andere sind ein Berg von Zombie mit angewachsener Betonklotzhammerhand. Achso, und nur um das kurz zu erwähnen: Nur, weil man auf ein Dach flüchtet, heißt das noch lange nicht, dass man sicher ist, denn es gibt auch Zombies, die uns recht schnell in der Höhe nachsetzen.
Diese speziellen Zombies tauchen aber nur bei Nacht oder in speziellen Darkzones auf. Die Darkzones sind Bereiche in der Spielwelt, die mit besonders viel und/oder gutem Loot vollgestopft sind. Und da wir gerade die Nacht ansprechen: Dying Light hat einen sehr gut funktionierenden Tag-/Nacht-Zyklus. Am Tage ist vieles einfacher, da nur normale Zombies unterwegs sind und sich so auch Missionen einfacher gestalten. Dafür sind die Darkzones dann aber vollgepackt mit allen möglichen Zombies, da diese sich vor der Sonne verstecken. In der Nacht sind die Missionen dafür härter und die Darkzones einfacher zu infiltrieren. Außerdem bekommen wir in der Nacht Bonus-EP, welche dann im Morgengrauen auf unser Konto gutgeschrieben werden. Sollte man allerdings sterben sind diese pfutsch. Es ist deshalb oftmals ein schmaler Grad zwischen Vor- und Nachteilen der beiden Tageszeiten. Nichtsdestotrotz ist dieses System sehr gut implementiert und eine sinnvolle Mechanik.
Aber auch die Open World muss einmal angesprochen werden. Diese ist nämlich fabelhaft designt und bietet einige unterschiedliche Areale. Natürlich ist die Open World speziell auf die Parkour-Mechanik ausgelegt, aber gerade das macht sie so interessant. Die verschiedenen Gebäude, die berennbaren Areale, aber auch die Interaktionsmöglichkeiten. Zwischendurch findet man immer mal wieder Gruppen von Leuten, welche es sich vor einer Bühne oder einem Lagerfeuer bequem gemacht haben. Hier kann man, wenn man möchte, einige Hintergrundinfos zur Apokalypse und zu den Geschehnissen in Villedor erzählt bekommen. Aber auch die anderen Menschen bieten immer wieder Kommunikation und erzählen im Vorbeilaufen von den Problemen dieser Welt. Es fügt sich fast alles zu einem sehr starken Gesamtbild zusammen. Aber auch nur fast.
Fehlerhaft wie die Hirnfunktionen eines Zombies
Denn was macht eine Open World erst so richtig interessant? Richtig, die passenden Nebenaufgaben und Zufallsevents. Und hier bietet Techland leider nur die absoluten Standardvarianten an: Mensch wurde von Zombie attackiert? Helfen! Mensch wurde von Banditen attackiert? Helfen! Banditen wollen einen Vorrat knacken? Töten. Das ist leider der Aufbau der meisten Zufallsevents in der Welt von Dying Light 2. Wenn man das mit Open World Vorzeigetiteln Wie Red Dead Redemption 2 vergleicht, wirkt die Welt von Dying Light 2 ziemlich tot.
Aber auch andere Systeme in Dying Light 2 haben die Hirnfunktion eines Zombies. Da wäre als erstes das Crafting-System. Dieses ist in meinen Augen sehr oberflächlich eingebaut. Bis auf Waffenmods und ein paar Utensilien, wie Dietriche oder Molotovcocktails, gab es kaum Sachen, welche ich gebaut habe. Die Waffenmods bieten leider auch die einzige Möglichkeit, um euren Lieblingswaffen wieder etwas Haltbarkeit zukommen zu lassen. Heißt: Liebt ihr eine Waffe, dann nutzt sie erst gar nicht, da die Lebenszeit selbiger sehr schnell endet. Auch die Kleidungsstücke, die während der Story und in Vorräten gefunden werden können, sind zwar nett, aber haben keinen sehr großen Einfluss auf die Stats unseres Charakters. Gefühlt kommt es am ehesten auf die Stärkewerte der Waffen an und wie wir uns in Kämpfen verhalten. Hier hätte es noch einige merkliche Verbesserungen gebraucht, um das Crafting und Wertesystem vernünftig zu implementieren.
Kommen wir aber noch kurz auf die Technik zu sprechen: Positiv ist auch noch die audiovisuelle Umsetzung zu erwähnen. Zwar hat Techland das Spiel grafisch nicht auf absoluten Realismus getrimmt, aber die Animationen der NPCs sehen trotzdem nicht schlecht aus. Noch besser gefallen mir die Bewegungen, die Aiden während des Parkours an den Tag legt. Das Abrollen nach Sprüngen von hohen Dächern und auch das Geschwindigkeitsgefühl während dieser Momente ist einfach nur klasse. Die Mimik und Gestik wirken in den Zwischensequenzen dafür leider etwas ungesteuert. Das wahre Monster offenbart sich dann aber erst in der Open World in Kombination mit Raytracing. Hier fallen durch die Global Ilumination wirklich wunderbare Licht-Schatten Verhältnisse auf, die das Spiel nochmal wesentlich hübscher wirken lassen. Das ganze kommt nur leider mit ziemlichen FPS-Einbußen daher und kann auch eigentlich nur mit RTX-Karten wirklich noch genossen werden; dann auch nur bei eingeschaltetem DLSS oder AMD seitens FSR. Audiotechnisch ist die Umsetzung ebenfalls stark. Insgesamt haben die Parkoureinlagen ordentlich Wumms und die Kämpfe trotz ihrer Eintönigkeit ordentlich Kraft.
Dying Light 2 ist seit dem 4. Februar 2022 für Windows-PC, für PlayStation 4 und 5 sowie für Xbox One und Series X|S ab 49,99 Euro erhältlich.
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