Was ist dran am Hype um Knossi und Co.?
Die Streaming-Plattform Twitch ist nicht aufzuhalten.
Von Christoph Miklos am 13.10.2020 - 15:30 Uhr - Quelle: E-Mail

Fakten

Hersteller

Gamezoom.net

Release

Anfang 2000

Produkt

Gaming-Zubehör

Webseite

Die Streaming-Plattform Twitch ist nicht aufzuhalten. Schon 2013, zwei Jahre nach ihrem Start, zog sie jeden Monat mehr als 45 Millionen Zuschauer an, die vor allem Gaming-Livestreams sehen wollten. 2014 blätterte Online-Riese Amazon fast eine Milliarde US-Dollar hin, um sich das Unternehmen einzuverleiben. Und aktuell ist Twitch nach dem Alexa-Ranking auf Platz 31 der meistbesuchten Webseiten der Welt. Der Aufstieg des Live-Streamings hat auch eine ganz neue Art von Promi geschaffen. Während Influencer auf YouTube oder Instagram meist ihr Privatleben inszenieren, stellen Twitch-Streamer eher eine Mischung aus Fernsehmoderator und Sportkommentator dar. Namen wie MontanaBlack, Knossi und Gronkh sind in Deutschland mittlerweile bekannter als so mancher Filmstar – zumindest unterhalb einer bestimmten Altersgrenze. Denn das Publikum von Twitch ist jung. Rund 41 % der Nutzer waren 2019 jünger als 24 Jahre, 27% jünger als 34. Auch die Stars der Szene sind kaum älter. Viele ältere Zeitgenossen, darunter auch echte Gaming-Urgesteine, kratzen sich hingegen verwirrt am Kopf, wenn von den neuen Entertainern die Rede ist. Was macht den Reiz der Twitch-Stars aus? Warum treffen sie bei ihrem Publikum einen Nerv? Und handelt es sich bei ihrem Aufstieg um einen kurzlebigen Hype oder um einen langfristigen Trend?
Die erfolgreichsten Twitch-Stars Die erfolgreichsten deutschen Twitch-Kanäle haben Followerzahlen im siebenstelligen Bereich. Mit mehr als 3 Millionen Followern ist die unangefochtene Nummer eins MontanaBlack. Der 32-Jährige, der mit bürgerlichem Namen Marcel Eris heißt, streamt vor allem Spiele wie Call of Duty, FIFA oder Fortnite. Aber auch Casino-Streams stehen auf dem Programm des ausgebildeten Einzelhandelskaufmanns. Die Nummer zwei der deutschen Twitch-Stars, Maximilian Stemmler, ist online unter dem Namen Trymacs unterwegs und kommt immerhin auf fast 1,7 Millionen Follower. Er wurde unter anderem mit Streams von Mobile Games wie Clash Royale bekannt. Die Nummer drei, Jens Knossalla, ist seinen Fans als Knossi bekannt bekannt. Vor seiner Twitch-Karriere trat er unter anderem in einer Reihe von Fernsehshows auf. Eine Zeit lang verdingte er sich auch als Pokerspieler und Pokerkommentator und Moderator. Diesen Wurzeln bleibt er auch auf seinem Twitch-Kanal treu, wo er gerne Slotspiele und Pokerturniere streamt. Eine Besonderheit seines Kanals sind die Gastauftritte von Promis wie Kim Dotcom, Sido oder Pietro Lombardi. Und so ähnlich setzt sich die Liste der beliebtesten Twitch-Streamer fort. Sie sind überwiegend jung, männlich und verbringen sehr viel Zeit vor dem Bildschirm – genauso wie ihre Zielgruppe.
Fortnite, FIFA und Glücksspiele Die beliebtesten Streaming-Kategorien auf Twitch dürften in Deutschland wohl aus Shootern, dem Fußballspiel FIFA sowie dem Online-Glücksspiel bestehen. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Jede dieser Kategorien ist besonders actionreich und für die Zuschauer daher auch besonders unterhaltsam. Wer selbst nicht die Reflexe hat, um bei Fortnite oder Call of Duty als Sieger hervorzugehen, kann auf Twitch am Erfolg der Streamer teilhaben. Die Beliebtheit von FIFA- und Glücksspielstreams haben hingegen auch finanzielle Aspekte. Denn um bei dem beliebten Fußballspiel oder im Online Casino mitzumischen, braucht es eine Stange Geld. Wer gerne an Spielautomaten drehen möchte, aber nicht über das nötige Startkapital verfügt, kann auf dem Kanal von Knossi oder MontanaBlack trotzdem an der Aufregung des Spiels teilhaben. Dasselbe gilt auch für Spiele wie FIFA, wo viel Geld ausgegeben werden muss, um im Multiplayer-Modus mit den Besten mitzuhalten. Schließlich sind Gaming-Streams auf Twitch auch eine gute Gelegenheit, um neue Spiele kennenzulernen, ohne sie gleich kaufen zu müssen. Wer sich für einen neuen Titel interessiert, findet unter den Millionen von Twitch-Streamern mit Sicherheit einen, der das Gameplay schon hochgeladen hat.
Sind Twitch-Streamer Eintagsfliegen? Spannend wird es in den nächsten Jahren, die Weiterentwicklung der Szene zu beobachten. Die meisten deutschen Twitch-Streamer haben es erst in den letzten zwei bis drei Jahren zum Internet-Ruhm gebracht. Viele von ihnen haben ein Talent zur Selbstvermarktung und lassen keine Gelegenheit aus, ihre neu gefundene Beliebtheit auszunutzen. Sie vermarkten auf ihren Webseiten Fan-Bekleidung, veröffentlichen ihre Lebensgeschichte als Buch oder schließen lukrative Sponsoring-Deals ab. Bei Fantreffen jubeln ihnen hunderte Fans zu und bitten um ein Autogramm, und auch in die Nachrichten schaffen sie es hin und wieder mit ihren Aktivitäten. Aber wie lange kann dieser Erfolg anhalten? Die digitale Welt ist schnelllebig und erfindet sich in Abständen von wenigen Jahren neu. Und auch die Streamer müssen einiges tun, um aktuell zu bleiben. Sie brauchen einen guten Riecher für die neuesten Gaming-Trends und können sich nicht auf vergangenen Erfolgen ausruhen. Vor allem müssen sie aber immer damit rechnen, von einem der zahlreichen Newcomer vom Thron gestoßen zu werden. Ob die Streamer, die heute an der Spitze der Twitch-Charts stehen, in zehn oder zwanzig Jahren noch dieselbe Relevanz haben werden, ist zweifelhaft. Allerdings gibt es auch Beispiele dafür, wie Streaming-Erfolge die Grundlage für eine langfristige Karriere legen können. So ist beispielsweise der Streamer Gronkh seit mittlerweile 10 Jahren aktiv, zuerst mit einem YouTube-Kanal, heute auch mit Livestreams. Sein Youtube-Kanal ist nach wie vor einer der meist abonnierten in Deutschland und auch seine wöchentlichen Gaming-Streams auf Twitch ziehen noch ein beachtliches Publikum an. Gronkh, der mit bürgerlichem Namen Erik Range heißt, hat seine Aktivitäten aber breit gestreut. Unter anderem gründete er verschiedene Unternehmen, organisiert Wohltätigkeits-Livestreams und war als Synchronsprecher für verschiedene Kinofilme und Videospiele aktiv. Gelingt es den Streamern von heute, langfristig eine ähnlich solide Basis aufzubauen und sich gemeinsam mit ihrer Zielgruppe weiterzuentwickeln, könnten sie einen festen Platz in der Geschichte der Gaming-Kultur einnehmen. Viele von ihnen dürften aber auch schnell wieder in der Versenkung verschwinden. Welche Streamer ihr Potential tatsächlich langfristig ausbauen können, muss sich erst noch zeigen.
Christoph Miklos ist nicht nur der „Papa“ von Game-/Hardwarezoom, sondern seit 1998 Technik- und Spiele-Journalist. In seiner Freizeit liest er DC-Comics (BATMAN!), spielt leidenschaftlich gerne World of Warcraft und schaut gerne Star Trek Serien.

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