Pay2Win mit Lootboxen: Gilt das Geschäftsmodell bald als Glücksspiel?
Eigentlich sind die iGaming- und Gaming-Branche gut voneinander zu unterscheiden.
Von Christoph Miklos am 26.03.2024 - 14:01 Uhr - Quelle: E-Mail

Fakten

Hersteller

Gamezoom.net

Release

Anfang 2000

Produkt

Gaming-Zubehör

Webseite

Eigentlich sind die iGaming- und Gaming-Branche gut voneinander zu unterscheiden. Glücksspiele basieren rein auf Glück, wohingegen Computerspiele „Skill“ voraussetzen. Eine Überschneidung gibt es beim Pay2Win-Konzept mit Lootboxen, die bei Spielen wie Counter Strike, Fortnite, FIFA und vielen anderen zum Geldausgeben verlocken.
Das Geschäftsmodell ist für Betreiber äußerst einträglich, allerdings sind in den vergangenen Jahren immer mehr Kritiken laut geworden. Wird sich Deutschland bald dafür entscheiden, Lootboxen als Glücksspiel einzustufen?
Das klassische Glücksspiel basiert ausschließlich auf Glück
Denken wir an Glücksspiel, tauchen Spiele wie Roulette, Blackjack und einarmige Banditen vor dem inneren Auge auf. Seit 2021 dürfen in Deutschland Automatenspiele sogar im Internet gespielt werden. Ob ein Spieler gewinnt oder verliert, entscheidet sich ausschließlich über Zufallsgeneratoren.
Das Konzept „Pay2Win“ passt hier nicht ganz. Einzahlungen sind in den meisten Fällen zwar die Voraussetzung zum Spiel, allerdings gibt es sogar Casino-Freispiele ohne Einzahlung, hier ist also gar kein Echtgeld nötig, um mit Glück den Kontostand zu verbessern.
Computerspiele sind vom Können abhängig. Ein Shooter wie CS:GO setzt eine hohe Reaktionsfähigkeit voraus, zudem muss der Spieler in der Lage sein, im Team zu agieren. Glück spielt im Spielverlauf eine untergeordnete Rolle, obwohl beim Shooter mancher Headshot auch als „Luck-Shot“ bezeichnet wird.
Viele solcher Spiele bieten den Teilnehmern den Kauf von Lootboxen an, die überwiegend kosmetische Items in unterschiedlicher Wertigkeit enthalten. Dafür sind die Macher von FIFA bereits ebenso stark kritisiert worden wie Valve oder die Entwickler des beliebten Games Fortnite.
Warum werden Lootboxen so oft mit Glücksspiel verglichen?
Wer am Slot gewinnt, darf sich über Echtgeld freuen. Bei Lootboxen gibt es keinen monetären Gewinn, lediglich Items und Verbesserungen für den eigenen Spielcharakter können hier gezogen werden. Woher kommt es also, dass so viele Gegner und aktuelle Berichte von Glücksspiel sprechen?
Werfen wir einen Blick auf die zugrundeliegenden Mechanismen wird die Übereinstimmung klar: ● Unsicherheit und Zufall: Sowohl bei Lootboxen als auch beim Glücksspiel ist der Ausgang unsicher und zufällig. Spieler wissen beim Öffnen einer solchen Box nicht, was sie erhalten werden und ob das Item einen (persönlichen) Wert hat.
● Das Belohnungszentrum: Bei beiden Spielarten wird das Belohnungssystem des Gehirns genutzt. Gewinne beim Glücksspiel können ebenso wie das Öffnen von Lootboxen zu einer kurzfristigen Dopaminausschüttung im Gehirn führen. Dies wiederum führt zu einem freudigen Gefühl und der Lust, das Spiel weiter fortzuführen.
● Monetärer Einsatz: In den meisten Fällen müssen Spieler echtes Geld für den Kauf von Lootboxen ausgeben, so wie sie Echtgeld einsetzen, um beim Glücksspiel zu zocken. Ob es einen (wertvollen) Gewinn gibt, lässt sich weder mit der Einsatzhöhe noch mit der Häufigkeit beeinflussen.
● Suchtgefahr: Nicht nur beim Glücksspiel, sondern auch beim Öffnen von Lootboxen droht die Gefahr einer Suchtentwicklung. Auch hier sind die Mechanismen ähnlich. Der Spieler öffnet Boxen und gibt dabei mehr Geld aus, als ihm eigentlich zur Verfügung steht.
Sammelkarten oder Glücksspiel? Darüber wird rege diskutiert
Die Verbraucherzentralen machen klar, dass Lootboxen zum Geldausgeben verleiten und für den Spieler so zu einer Gefahr werden können. Der Wunsch, ein bestimmtes Item zu erhalten und der Reiz, das Glück herauszufordern sind hier zwei wichtige Komponenten. Grundsätzlich gibt es auch andere Wege, gewünschte kosmetische Verbesserungen für ein Spiel zu erhalten.
Die Inhalte von Lootboxen werden (oft auf dem Schwarzmarkt) gehandelt und können so von Spieler zu Spieler weitergegeben werden. Wer bei Counter Strike einen bestimmten Waffenskin kaufen möchte, kann auf dem Markt der Spieleplattform Steam danach Ausschau kaufen und ihn käuflich erwerben. Es ist nicht zwingend erforderlich, Boxen zu kaufen und zu öffnen.
Der Verband der Deutschen Games-Branche wehrt sich gegen den Begriff Glücksspiel und vergleicht Lootboxen mit Sammelkarten (z.B. Pokémon, Magic the Gathering). Man beruft sich darauf, dass Spielehersteller die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Items angeben und daher eher das Sammelkartenprinzip zutrifft.
Insbesondere weist man die klare Übereinstimmung mit Glücksspielmechanismen weit von sich. Das wird unter anderem damit begründet, dass das Geld nicht verloren gehe. So soll der virtuelle Inhalt immer zumindest dem Kaufwert der Kiste entsprechen. Wer besonderes Glück hat, bekommt lediglich die Chance auf einen wertvolleren Inhalt.
Was theoretisch zutreffen mag, lässt sich in der Praxis deutlich schlechter nachweisen. Wer bestimmt den Wert des Kisteninhalts? Beim Shooter CS:GO wurde dieser Wert ausnahmslos über die Community festgelegt.
Wenn der Kaufpreis eines Waffenskins auf dem Markt bei 0,02 Euro liegt, die Kiste aber 1,99 Euro (inklusive Schlüssel) kostet, ist der Kaufwert keineswegs gedeckt. Denn anders lassen sich virtuelle Gegenstände nicht handeln. Der Spieler hat nicht die Möglichkeit, bei Nichtgefallen seine erhaltenen Items gegen Rückerstattung des Kistenpreises einzutauschen.
Österreich stuft Lootboxen als Glücksspiel ein
Ein erstes richtungsweisendes Urteil stammt aus Österreich, wo die Lootboxen des Fußballsimulators FIFA als Glücksspiel eingestuft wurden. Der Publisher wurde dazu verurteilt, Spielern die Einsätze zurückzuerstatten. Ein Schlag für die Unternehmen Electronic Arts und Sony Interactive, die hierfür tief in die Tasche greifen mussten.
Dieses Beispiel aus Österreich könnte in weiten Teilen Europas und so auch in Deutschland Schule machen. Bislang sind Kauf- und Verkauf von Lootboxen hierzulande kaum reguliert. Zwar wird immer wieder über die Gefahren diskutiert, ernsthafte Bemühungen einer gesetzlichen Regelung gibt es bislang aber nicht.
Anders sieht es in den Niederlanden und Belgien aus, wo Lootboxen schon lange komplett verboten sind. Hier haben Spieler zwar auch die Möglichkeiten Items zu kaufen, sie wissen aber beim Kauf direkt, was sie für ihr Geld erhalten.
Spannenderweise sind zahlreiche Gamer dafür, das Konzept neu zu bewerten und zu verändern. Denn Pay2Win ist bei vielen ambitionierten Zockern ein abgelehntes Thema, da das eigene Können im Vordergrund stehen soll.
Fazit: Lootboxen möglicherweise bald auch in Deutschland als Glücksspiel deklariert?
Bremen forderte Anfang 2024 die Einstufung von Lootboxen als Glücksspiel und auch namhafte Regierungsvertreter unterstützen diese Forderung. Die Angst, dass Lootboxen Kinder und Jugendliche ungeschützt an glücksspielartiges Verhalten heranführen, ist auf vielen Ebenen groß. Eltern haben bislang die Aufgabe, schützend auf ihre Kinder zu achten und Mikrotransaktionen zu überwachen.
Das gelingt allerdings nicht immer, denn viele Spiele mit Lootboxen sind nicht offiziell ab 18. Jahren eingestuft. Ein Dringlichkeitsantrag liegt der Politik seit Beginn 2024 vor. Ob und wie darüber entschieden wird und ob Deutschland den Vorbildern aus den Niederlanden und Belgien folgt, bleibt abzuwarten.
Christoph Miklos ist nicht nur der „Papa“ von Game-/Hardwarezoom, sondern seit 1998 Technik- und Spiele-Journalist. In seiner Freizeit liest er DC-Comics (BATMAN!), spielt leidenschaftlich gerne World of Warcraft und schaut gerne Star Trek Serien.

Kommentar schreiben